Basics der Rehabilitation Teil 1: Aufklärung über Wundheilung und Schmerz
- corylusmed
- 27. Juli 2020
- 4 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 30. Juli 2020
Die erfolgreiche Rehabilitation beginnt und endet mit der exakten Aufklärung des Patienten. Dieser Beitrag fasst also den Titel dieser Blogseite: "Nur mit der richtigen Information kannst du deine Fähigkeiten vollständig ausschöpfen" in seiner ganzen Bedeutung auf. Nur wer über seine Krankheit Bescheid weiß, wer weiß warum sich bestimmte Symptome zeigen und was im Körper abläuft, kann verstehen welche (ärtzlichen) Entscheidungen Sinn machen und welche eher noch einmal hinterfragt werden sollten. Ich rate daher jedem sich unbedingt aufklären zu lassen, oder selbst Erkundigungen einzuholen. Fragen Sie nach: "Was passiert?", "Warum machen wir diese Übungen?"
Im 1. Teil möchte ich hier über die Wundheilung und die Bedeutung von Schmerz reden. Neben diesen beiden Punkte sollte sich mit dem Thema Ernährung (es gibt Nahrungsmittel, welche den Heilungsverlauf fördern, Medikamente ersetzen/ reduzieren können und jene, welche den Heilungsprozess negativ beeinträchtigen, verlangsamen, etc.), sowie spezifischen Informationen zur jeweiligen Krankheitsursache auseinandergesetzt werden.
Basics Rehabilitation: Wundheilungsphasen
Entzündungsphase (Reinigungsphase)
Vaskuläre Phase in den ersten 20 Minuten (bis max. 2 Stdt) nach Verletzung: Gefäße ziehen sich zusammen, Körper versucht die Blutung zu stoppen. Anschließend Weiten der Gefäße um Schmutz/ Krankheitserreger/tote Gewebeteile durch vermehrten Blutfluss auszuspülen. Wunde „nässt“
Zelluläre Phase: Blutgerinnung, Wundränder ziehen sich zusammen
Die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren leitet die Immunabwehr und den Reparaturprozesse ein. Verletzung ist heiß, schmerzt und schwillt ggfs an.

Schmerz soll zum Schonen anregen: Im Fall von Hautverletzungen Blutungen stillen und kühlen, gebrochene Knochen/umgeknickte Gelenke Hochlagern und Ruhigstellen. Betroffene Gebiete entlasten. Schmerzhafte Bewegungen vermeiden. Leichtes Bewegen im schmerzfreien Bereich regt den Stoffwechsel an und sorgt für eine schnellere Heilung (keine Anstrengungszeichen, kein Schmerz!!)
Abhängig von Größe und Art der Verletzung dauert die Entzündungsphase i.d.R. 5 Tage (maximal 14 Tage). Bei Hitze ( 2°C im Seitenvergleich) > 15 Tage im betroffenen Gebiet wird eine bakterielle Probe durch den Hausarzt nötig!
Prolieferationspahse (Reperationsphase)
Gefäß- und Gewebeneubildung: das geschädigte Gebiet wird mit einer großen Zahl qualitativ minderwertiger Zellen „geflutet“ (Für Haut ca 7-21 Tage, Knochen i.d. R. 6 Wochen)
Gute Durchblutung und Anregung des Stoffwechsels bewirken eine schnellere Ausbildung und Festigung neuer Zellen. Um ein gerichtetes Wachstum zu stimulieren ist eine funktionelle Belastung (= Belastung entsprechend der gewünschten Funktion) unerlässlich, da „Wildwuchs“ zu ziehenden Narben und schlecht belastbaren Knochen führt: Ausdauertraining im aeroben Bereich, beginnendes leichtes Kraft-Ausdauertraining (ohne Schmerz, nicht Bis-zum-Muskelversagen!), Durchblutung über leichte Massage anregen
Konsolidierungspahse (Umbauphase)
Neugebildete Fasern mit niedriger Qualität verdichten sich und passen sich an die mechanische Beanspruchung an. Dauer: 21-360 Tage

Um die ursprüngliche Belastbarkeit wiederherzustellen ist ein Krafttraining (Hypertrophietraining) im anaeroben Bereich unerlässlich: Krafttraining bis zur Muskelermüdung!
Nach Erreichend der ursprünglichen Belastbarkeit zunehmend Schnell-/Explosivkraft trainieren durch Sprünge, Würfe, Schüsse, etc.
Nahezu jede Zelle unterliegt einem Zellzyklus: eine neu entstandene Zelle führt während einer bestimmten Periode ihre typische Aufgabe aus, ehe sie sich durch Verdopplung der in ihr enthaltenen Zellkerne, inkl. DNA teilt und zwei neue Zellen entstehen lässt. Jedes Gewebe unterliegt also einem ständigen Prozess von Reorganisation. Je nach Zelltyp geht das unterschiedlich schnell. Die Zellen der Nasenschleimhaut brauchen hierfür z.Bsp knapp 3 Stunden.
Brills hat 1999 die sog. Turnover-Rate erfasst (Zeit, die ein bestimmtes Gewebe braucht um sich vollständig neu aufzubauen). Die komplette Haut entsteht alle 5-10 Tage neu, das komplette Skelett alle 10 Jahre. Auch Knorpel (300 Jahre) und Bandscheibe (60 Jahre) unterliegen einem ständigen Prozess, bei dem neues Gewebe entsteht.
Bei Kindern ist der Faktor auf Grund des Wachstums noch deutlich höher
Reorganisation von Gewebe läuft unter günstigen Bedingungen deutlich schneller ab: Durchblutung/Stoffwechsel, Aktivität der Sexualhormone, Nährstoffhaushalt (im Fall von Knochen: Vit. D-Status, Kalzium; für Haut: v.a. Vit.A)
Achtung: Abgestorbenes Gewebe (erkennbar an Schwarzfärbung) hat keine Möglichkeit zur Teilung und Neubildung!
Basics Rehabilitation: Schmerz
Akuter Schmerz
Dauer 3-6 Wochen
Akuter Schmerz hat einen klar identifizierbaren Auslöser (Entzündung, Wunde, Knochenbruch, etc.) und ist provozierbar. Er ist lokal und geht mit autonomen, wie hormonellen Stressreaktionen (Steigerung Herzfrequenz und Blutdruck, Anspannung der Muskulatur) einher.
Akuter Schmerz ist ein Warn – und Schutzsignal des Körpers, das heilungsförderndes Verhalten (Ruhigstellung, Entlastung) erzielen will.
Chronischer Schmerz
Dauer 3-6 Monate
Chronischer Schmerz ist i.d.R. nicht mehr durch eine bestimmte Bewegung zu provozieren, es gibt keine eindeutig zuordbaren Auslöser. Der Schmerz betrifft verschiedene Areale oder den ganzen Körper und geht langfristig mit psychologischen Reaktionen wie Resignation, Hoffnungs- od. Hilflosigkeit einher. Anhaltende Muskelverspannung und Inaktivität verstärken durch psychische Beeinträchtigung und soziale Isolierung den Schmerz.
Chronischer Schmerz entsteht durch Anpassungsreaktionen des Körpers:
Funktionelle Plastizität: Vermehrte Reizung von schmerzleitenden Nervenphasen führen unabhängig von weiter auftretenden Schmerzreizen zur zentralen Entstehung eines Schmerzgedächtnis (eine bestimmte Bewegung wird automatisch mit Schmerzerwartung verknüpft).
Strukturelle Plastizität: Der durch Schmerzreize ausgelöste Anstieg körpereigener Opioide (Dynorphin) sorgt für eine Vergrößerung der reizaufnehmenden Felder im Rückenmark. D.h. ein einzelner Nervenimpuls aktiviert nun auf Rückmarksebene die Weiterleitung über mehrere Nerven. Sind Nerven durch Verletzungen geschädigt ist es möglich, dass sich sensible Nervenäste an die Stellen anlegen, welche ursprünglich für die Weiterleitung von schmerzreizen zuständig waren (Berührung wird zu Schmerz).
In erster Linie gilt es die Entstehung chronischer Schmerzen zu verhindern. Sind bereits alltägliche Bewegungen mit Schmerz verbunden, ist die Einnahme von Schmerzmitteln in der ersten Wochen nach akut auftretenden Schmerzen zu empfehlen um die Ausbildung eines Schmerzgedächtnis zu verhindern!

Ein einmal entstandenes Schmerzgedächtnis muss neu programmiert werden: es wird im schmerzarmen Ausdauerbereich begonnen und sich dann ins Krafttraining gesteigert. Kopf und Körper sollen die Erfahrung machen, dass Bewegung nicht schadet sondern zur Ausbildung einer besseren Lebensqualität führen.
Psychologische Mechanismen von Schmerzchronifizierung: Depression (-> Muskelverspannungen, Passivität, verstärkt-negative Bewertung von Schmerz), Katastrophisierung, Hilflosigkeit, Fear-avoidance-belief (Überzeug körperliche Belastung sei schädlich), schmerzabhängige Medikamenteneinnahme (besser ist eine zeitlich begrenzte Einnahme), sowie passives Vermeidungsverhalten (-> schlechter Heilungsprozesse, schlechte soz. Teilhabe -> Depression)
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