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Kopfschmerz vom Spannungstyp - Symptome, Pathomechansimen und Therapieansätze

  • 13. Mai 2020
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Mai 2020

Der nicht eindeutige Begriff "Spannungstyp" impliziert sowohl Muskelverspannung, seelische Anspannung oder die als "spannend" angegebene Schmerzqualität.




Die schwierigste Zeit in unserem Leben ist die beste Gelegenheit, innere Stärke zu entwickeln. Dalai Lama

Klinik


Grob lassen sich Kopfschmerzen vom Sannungstyp nach episodisch und chronisch, sowie mit und ohne Beteiligung der perikranialen (=den Schädel umgebende) Muskulatur unterteilen.


Episodischer KST:

  • wiederkehrenden Schmerzepisoden von Stunden bis Tagen

  • drückende/spannende Schmerzqualität (im Unterschied zu Migräne, diese wird eher als "pulsierend" beschrieben

  • Intensität schwach bis mittel

  • häufig bilateral (=beidseitig)

  • Im Gegensatz zur Migräne keine Verschlimmerung bei körperlichen Aktivitäten, ohne Übelkeit und ohne sensitive Überempfindlichkeit (Licht-/ Lärmempfindlichkeit)

Chronischer KST:

  • im Unterschied zum episodischen KST werden pro Monat mehr Tage mit Schmerz als schmerzfreie Tage gezählt. Die Symptome bleiben ähnlich, evtl. kann es zu Übelkeit kommen, nicht aber zu Erbrechen.


Beide können mit oder ohne Störung der perikranialen Muskulatur imponieren. Diese zeigt sich durch Muskelhartspann, Druckempfindlichkeit, verminderte Beweglichkeit und Myogelosen


Die IHS (International Headache Society) gibt folgende Ursachen an...

  • oromandibuläre Dysfunktion (=Funktionsstörung der Kiefergelenke), wie z.B. das Zähneknirschen

  • psychosozialer Stress, Mangel an Schlaf/Ruhe

  • Angststörungen oder depressive Erkrankungen

  • lang andauernde tonische Muskelverspannungen

  • ggfs. Wahn (z.Bsp. Vorstellung man würde eine Dornenkrone tragen)

  • Übermäßige Einnahme von Drogen (Aspirin, Morphin, Diazepam/Valium)


Pathomechanismen


Die genaue Krankheitsentstehung ist bislang nicht geklärt. Die aktuelle Hypothese lautet: Funktionsstörung des antinozizeptiven Systems (also des körpereigenen Systems zur Schmerzbewältigung). Erwiesen ist u.a. dass Patienten mit primärem Kopfschmerz, KST und Migräne einen erniedrigten Beta-Endorhinspiegel im Plasma und der Zerebralflüssigkeit haben. Beta-Endorphin ist ein körpereigenes Morphin (Schmerzmittel), weniger davon bedeutet eine erhöhte Schmerzempfindlichkeit. Es ist anzunehmen, dass dies sogar ohne einen peripheren Stimmulus (also externen Reiz, Verletzung o.ä.) stattfindet.

Weiterhin ist ein Fehlen der exterozeptiven Hemmung auffallend. Also eine Eindämmung der von außen auf den Körper wirkenden Reize. Dies resultiert ebenso in einer gesteigerten Schmerzempfindlichkeit. So konnte laborexperimentell zum Beispiel nachgewiesen werden, dass Lichtblitze die Anspannung der Stirnmuskeln triggern.

Zuletzt kann festgestellt werden, dass sich Schmerz und Muskelanspannung gegenseitig bedingen: Schmerz führt zur Verkrampfung, erhöhte Muskelanspannnung resultiert in Schmerz.


Lerntheoretisch ist anzunehemn dass dysfunktionale Muskelmehrarbeit durch klassische und operante Konditionierung (Bsp mehr Geld für Akkordarbeit) zu einem Wahrnehmungsdefizit führt. Durch den Fokus auf übermäßige Aktivität verlieren Betroffene ihr Gespür für Muskelverspannungen (Propriozeption).

Daraus resultiert, dass die Hemmung eigener Bedürfnisse und die Zurückhaltung expressiven Verhaltens, ein maßgeblicher Faktor zur Aufrechterhaltung der Spannungskopfschmerzen darstellt. Weiterhin ist die Schmerzerwartung als weiterer Faktor der Konditionierung zu werten: In Erwartung der nächsten Schmerzepisode verkrampft der Betroffene noch bevor der Schmerz überhaupt eintritt. Und diese sog. dysfunktionale Muskelmehrarbeit triggert wiederum den Schmerz!


Therapie


Dem aufmerksamen Leser werden auf Grundlage der beschriebenen Mechanismen zur Entstehung und Aufrechterhaltung des Spannungskopfschmerzes bereits Ideen für selbstständige Therapieansätze gekommen zu sein. Im Folgend fasse ich noch einmal die wichtigsten, evidenzbasierten Therapieansätze zusammen:

Medikamentös: für episodischen KST werden Acetylsalicinsäure (500-1000 mg), Paracetamol (400-600mg) oder Ibuprofen (600mg) empfohlen. Medikamente sollten nicht länger als max. 3 Tage hintereinander eingenommen werden! Es ist darauf hinzuweisen, dass übermäßiger Medikamentengebrauch zum medikamenteninduzierten Kopfschmerz führt! Nachgewiesen ist die Wirkung von Minzöl (auf die Strin auftragen) oder Tigerbalsam (auf verspannter Muskulatur).

Für chronischen KST werden Analgetika in Verbindung mit trizyklischen Antidepressiva (Amitriptylin) gelistet.(Empfehlung der deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft)


Aus Physiotherapeutischer Sicht ist die positive Wirkung durch Lockerung der verspannten Muskulatur belegt (Massagetechniken auf M.sternocleidomastoideus, wiederholte Triggerpunktbehandlung auf dem Trapezius und aktives Üben). Ausdauersport, wie Joggen, zeigt v.a. beim chronischen KST einen positiven Effekt auf die Häufigkeit der Schmerzepisoden. (Für allgemeine Infos zu chronischen Krankheiten, siehe auch "Krankheit und Gesundheit"). Sport, Lächeln, soziale Kontakte und Küssen steigern die körpereigene Endorphinsynthese.

EMG-Biofeedbacktraining und Progressive Muskelrelaxation haben sich in mehren Vergleichsstudien als effektivste Methode erwiesen (Schiller und Bischoff,2000)


Gerber et al. (1989) schlagen als flankierende Maßnahme bei der Behandlung von chronischem Kopfschmerz Ausdauersport in Form von Jogging vor


Ausgehend von den Wechselwirkungen zwischen körperlichen und psychischen Befindlichkeiten, ist es empfehlenswert sich überdies psychotherapeutischer Techniken zu bedienen:

  • Behebung von Motivationsprobleme

  • Analyse dysfunktionaler Einstellung, beruflicher und privater Stressoren und mangelnder Aktivität, sowie Etablierung von Lösungsstrategien. In diesem Kontext kann auf das Marburger Schmerzbewältigungsprogramm verwiesen werden. (Basler und Kröner-Herwig, 1998)




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